6 Reussler/innen nahmen an der Vogalonga in Venedig 2024 teil – hier der Erlebnis-Bericht unseres Mitglieds Andi, der erstmals am traditionellen Anlass teilnahm.

Text: Andreas Wolfisberg, Fotos: Dora Frank, Corinne Fischer, Markus Schuler, Roman Oberholzer, Andreas Wolfisberg

Nach sehr kurzer Nacht ist es endlich so weit: Bärti, Dora, Roman, Schueli, Corinne und meine Wenigkeit treffen uns um 4.15 Uhr vor dem Clubhaus zur Abfahrt nach Venezia. Vom Reussclub sind ein gesteuerter Vierer und ein Tretkanu von Schueli, vom Seeclub ein Vierer und ein Achter auf dem Anhänger festgebunden. Vier Seeclübler reisen ebenfalls im Reuss-Bus mit. Nach rund zehnstündiger Fahrt, inklusive Stau vor dem Loch, treffen wir am Seglerterminal in Mestre ein und bereiten sogleich unsere Boote vor. Danach geht’s per Carrozza über den Damm nach Venedig die Startnummern holen – und anschliessend zum Aperitivo.

Am Sonntag um halb sechs Uhr ist Tagwache. Nach kurzem Morgenessen wassern wir unser Boot «Lift» ein und rudern auf der 8 km langen Strecke zum Start vor San Marco. Das Wetter ist leicht bewölkt und das Wasser ruhig, so fahren wir durch den morgendlichen Canale Grande. Unglaubliche Ruhe und eine mystische Atmosphäre schweben über der altehrwürdigen Serenissima. Und dann der Startplatz: Unzählige muskelbetriebene Boote jeder erdenkbaren Gattung warten schon auf den Startschuss. Und es werden ständig mehr: aus halb Europa sind sie nach Venedig gepilgert. 2000 Boote mit 6000 Wassersportlern sind eingetroffen – vom hohen Norden wie Britannien, den ägäischen Inseln und Hispanien.

Jetzt herrscht gespannte Ruhe vor dem Sturm. Plötzlich der Startböller: er zerreisst die Wolken über San Marco, es geht los! Der ganze Pulk bewegt sich augenblicklich Richtung Burano. Es wird chaotisch. Um jeden Meter und jede Lücke wird gekämpft. Es wird geflucht, gelacht, geschoben, gedrängt. Aber mit der Zeit zieht sich das Feld in die Länge und es lässt sich ordentlich rudern. Bei besten äusseren Bedingungen passieren wir die Inseln La Vignola und Sant’Erasmo. Jetzt können wir das bunte Treiben auf Augenhöhe richtig geniessen. Gegenüber Burano landen wir an: zum Trinken, zum Essen und zur Erledigung anderer Bedürnisse. Schueli trifft ebenfalls ein: er ist erstaunlich schnell unterwegs und schiesst so manches Föteli.

Steuerwechsel: ich löse Corinne ab. Das ist mein Debut am Steuerruder. Zunächst agiere ich vorsichtig, bis ich das Spiel begriffen habe. Wir skullen zügig durch Burano und kurz später durch den engen Kanal von Mozzorbo. Halbe Kraft – stopp – hart Steuerbord – vier harte Schläge – so tönte es im Kauderwelsch aller erdenklichen Sprachen durcheinander. Dann die lange Gerade bis Murano. Wir sind flott unterwegs und können etliche Boote der gleichen Kategorie hinter uns lassen: entweder durch Muskelkraft, taktische Manöver oder Buebetrickli.

Mitten in Murano folgt nach einer Doppel-S-Kurve eine sehr schmale Kanalpassage und es bildet sich sofort ein Flaschenhals mit grossem Gedränge. Alle Boote sind irgendwie ineinander verkeilt. Uns drängt es ganz auf die linke Seite der Einfahrt ab, eine scheinbar aussichtslose Position. Aber durch Stossen, Ziehen und Drücken unserer Crew, unterstützt mit kräftigen Paddelschlägen vom Cox, können wir die anliegenden Boote auf Steuerbord wegschieben, unser Boot um die Ecke wuchten und uns so sprichwörtlich aus der Klemme befreien.

Venedig ahoi und die Motivation steigt schlagzahlartig. Noch schnell die Holländerinnen rechts überholen und an den Franzosen vorbeipfeilen. Die Einfahrt zum Cannaregio kommt in Sicht. Letzter Steuerwechsel: Dora übernimmt. Diesmal werden die anstehenden Boote durch die Polizia eingewiesen, sodass je zwei Boote nebeneinander in den Canale Grande einfahren können. Unzählige frenetisch anfeuernde Tifosi säumen die Ufer und viele Hopp-Schwiiz-Rufe schallen durch den Canale. Jetzt stracks unter der Rialtobrücke durch, die letzte Kurve nach Steuerbord nehmen und avanti, avanti, ab nach San Marco. Das Ziel vor Augen erhöhen wir nochmals die Schlagzahl. Es spritzt kurz auf und wir rauschen durchs Ziel. Die Medaillen müssen uns schier hinterhergeworfen werden. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl: Vogalonga geschafft! Forza Svizzera, forza Lucerna, forza Reuss!

PS: Die Organisation war ausgezeichnet: alles hat tipptopp geklappt, mille grazie. Und ein grosses Dankeschön den Fahrern, die uns sicher hin und zurück chauffierten. Auch all jenen im Hintergrund ein vergelt’s Gott, die uns dieses Abenteuer ermöglichten. Und nicht zuletzt soll die kollegiale und angenehme Zusammenarbeit mit der Seeclub-Delegation erwähnt sein.